Zusammenfassung
Der Begriff Augmented Reality (Erweiterte Realität, AR) steht für Technologien, mit deren Hilfe man virtuelle Objekte in Ansichten der realen Welt wirklichkeitsgetreu einblenden und diese somit „erweitern“ kann. Das 2023 abgeschlossene Forschungsprojekt ar4wind hat getestet, inwieweit sich AR-Anwendungen eignen, um geplante Windenergieanlagen (WEA) während der Planungs- und Beteiligungsphase möglichst realitätsgetreu zu visualisieren. Die übergeordnete Fragestellung lautete: Unter welchen Umständen kann AR-Technologie einen Beitrag zur Versachlichung von Diskussionen um Windenergieprojekte leisten, indem sie die Beteiligten in die Lage versetzt, sich ein eigenes, wirklichkeitsgetreues Bild der geplanten WEA zu machen?
Als potenzielle Nutzergruppen eines solchen AR-Tools identifizierte ar4wind in erster Linie die Vertreter:innen von Kommunen, Regionalplanung, Prozessbegleitung und Projektentwicklung. Damit sie einen Nutzen aus der AR-Technologie ziehen können, müssen jedoch einige fachliche Anforderungen an den Planungsfall und an das Format der Öffentlichkeitsbeteiligung erfüllt sein. Gemeinsam mit potenziellen Nutzer:innen konnten die funktionalen Anforderungen an das AR-Tool priorisiert werden.
Basierend auf Vorarbeiten des Projektpartners LandPlan OS wurde während der Projektlaufzeit ein AR-Tool entwickelt, das geplante WEA als virtuelle Objekte in der Kameraansicht von mobilen Endgeräten platziert – dank Rotoranimation auch mit Betriebssimulation in verschiedenen Drehgeschwindigkeiten. Bei dieser Anwendung (im Folgenden meist als AR-Tool oder Visualisierungstool bezeichnet) handelt es sich um den optimierten Prototypen einer App, der zum Projektabschluss prinzipiell einsatzbereit ist, aber nicht bis zur Marktreife entwickelt wurde.
Als anspruchsvollste technische Hürde bei der Nutzung des AR-Tools stellte sich die Kalibrierung des Endgeräts heraus. Um eine präzise Geolokalisierung und die korrekte (Teil-)Verdeckung der virtuellen Objekte zu gewährleisten, erwiesen sich sowohl die Kalibrierung mit manuell gesetzten Referenzpunkten in der Umgebung und farbbasierter Segmentierung des Himmels als auch die Nutzung von virtuellen 3D-Landschaftsmodellen als grundsätzlich praktikabel.
Zum Ende der Erprobungsphase testete ar4wind mit dem Einsatz von vorproduzierten AR-Videos eine Alternative zur Ad-hoc-Visualisierung per AR-Tool. Ergebnis u. a.: Das Betrachten von vorproduzierten Videos gestaltete sich für die Beteiligten zwar komfortabler als die Nutzung des AR-Tools, konnte aber nicht den gleichen Grad an Wirklichkeitstreue und Transparenz in der Darstellung wie das AR-Tool erreichen.
Wozu ar4wind?
Windenergie an Land spielt in Deutschland eine große Rolle, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Die Entscheidungen über mögliche Standorte geplanter Windräder (auch Windenergieanlagen, kurz WEA) sind oftmals von langwierigen und kontroversen Debatten auf lokaler Ebene begleitet. Anwohner:innen kritisieren etwaige akustische und visuelle Beeinträchtigungen ebenso wie die Auswirkungen auf das Landschaftsbild. Um eine möglichst transparente Kommunikation mit der ortsansässigen Bevölkerung sicherzustellen und damit auch höhere Akzeptanz zu erreichen, können praxisnahe Visualisierungswerkzeuge in die Bürgerbeteiligung eingebunden werden.
Inwiefern können quifizierte Visualisierungen von WEA mittels Handy oder Tablet faktenbasierte Debatten um Windenergieprojekte vor Ort unterstützen? Dies zu klären, war das zentrale Ziel des 2023 abgeschlossenen Forschungsvorhabens ar4wind. Im Mittelpunkt des Vorhabens stand der Einsatz mobiler Augmented-Reality-Technologien (mAR), die im Rahmen informeller Bürgerbeteiligungsverfahren geplante Windräder als 3D-Modelle erfahrbar machen. Die WEA werden dabei als digitale Elemente im Kamerabild eines mobilen Endgeräts eingeblendet – und zwar positions- und realitätsgetreu.
Das Forschungsprojekt ar4wind hat eine mAR-Anwendung im Einsatz vor Ort getestet. Sie wurde mit Blick auf ihre Praxistauglichkeit im Planungsalltag sowie ihre Bedeutung für Bürgerbeteiligungsverfahren evaluiert. Ergebnis: Insbesondere die informelle Beteiligung in frühen Planungsphasen lässt sich durch innovative Instrumente zur Visualisierung effizienter und transparenter gestalten. Diese Instrumente sollen bedarfsorientiert einsetzbar sein. Sie dienen dem Ziel, dass sich Akteur:innen mit unterschiedlichen Positionen in Bürgerdialogprozessen gegenseitig informieren und konstruktiv austauschen können.
Die Projektpartner
EPC gGmbH
EPC bietet Projektmanagement und zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit, einschließlich der Entwicklung von Kommunikationsstrategien und deren praktischer Anwendung in Projekten zu erneuerbaren Energien, Klima und Nachhaltigkeit.
Rolle im Projekt:
Leitung der Kommunikation und Transfer, sowie Leitung der Koordinierung
HTW – Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Frank Fuchs-Kittowski an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin erforscht und entwickelt Methoden und Konzepte für die Entwicklung von Informationsinfrastrukturen für mobile Anwendungen, insbesondere in den Bereichen Mobile Sensing und Mobile Augmented Reality im Umweltbereich.
Rolle im Projekt:
Forschung und Entwicklung im Bereich der geodatenbasierten AR-Technologie und Entwicklung eines Toolkits zur robusten GeoAR-Lokalisierung.
Landplan-OS
Die LandPlan OS GmbH ist ein Landschaftsplanungsbüro und seit über 20 Jahren im Bereich der Eingriffsregelung (z.B. UVS, LBP; ASP) tätig ist. Ein besonderer Schwerpunkt sind Visualisierungen (Bild, Film, AR, VR) für und in Gutachten (Landschaftsbild, Denkmalschutz, Optisch Bedrängende Wirkung) als Mittel der besseren Kommunikation.
Rolle im Projekt:
Forschung und Entwicklung im Bereich der Visualisierung, technischen Integration und Applikationsanpassung.
FA Wind
Die FA Wind begleitet die Windenergienutzung in Deutschland systematisch und allparteilich, An der Schnittstelle von Forschung und Praxis bearbeitet sie Akzeptanzfragen und zeigt Effizienzpotentiale der Windenergie auf und fördert deren Hebung.
Rolle im Projekt:
Bedarfsanalyse, sozialwissenschaftliche Begleitung der Praxistests, Wirkungsanalyse.
Danksagung
Ein Gelingen des Forschungsprojekts ar4wind wäre ohne die tatkräftige Mithilfe zahlreicher engagierter Unterstützer:innen aus der kommunalen Verwaltung, Stadt- und Regionalplanung, Prozessbegleitung, Projektentwicklung und aus anderen beteiligten Organisationen nicht möglich gewesen.
Ein herzlicher Dank gilt dabei insbesondere den folgenden Personen (in alphabetischer Reihenfolge): Lea Baumbach, Christoph Becker, Emanuela Boretzki, Sebastian Breitlauch, Ina Breuer, Matthias Bruhn, Carsten Busche, Kristof Franke, Manuela Frankenberg, Christoph Haucke, Wiebke Heider, Fridtjof Ilgner, Florian Kischka, Ansgar Kuschel, Lukas Leising, Christopher Lüning, Tomke Menger, Eike Müller, Claudia Niedersen, Dr. Wolfgang Paulus, Markus Pauly, Matthias Plehn, Philipp Richter, Karl Schmude, Stefan Thieme-Czach, Stephan Wiggeshoff, Markus Wolf, Stefanie Wolf
Danke für anregende Gespräche und Interviews, Vor-Ort-Termine, kritische Auseinandersetzungen mit den Forschungsfragen und vieles mehr!
Ein großer Dank gilt außerdem dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für die finanzielle Unterstützung des Forschungsprojekts (Förderkennzeichen 03EE3046A-D).
„Im Vergleich zu unseren eigenen Versuchen, Visualisierungen im Rat zu erstellen, erfüllte die Visualisierung hier unsere Erwartungen. Ich habe mich noch gar nicht festgelegt, war aber erstaunt, wie die Bewegung von 2 Metern die Perspektiven verändern kann. Diese Visualisierungen sollten allen zugänglich gemacht werden und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.“
Bürger:in